Nein, die Augen haben sie uns nicht verbunden. Schließlich ist der Betrieb des momentan einzigen staatlich lizenzierten Medizinalhanf-Produzenten in Holland, der Firma Bedrocan BV in Veendam, völlig legal und von der Regierung gewollt. Trotzdem war ich angenehm überrascht von der Offenherzigkeit. mit der Bedrocan und das Büro für medizinisches Cannabis (BMC) des holländischen Gesundheitsministeriums jüngst tiefe persönliche Einblicke in die Praxis der Produktion von medizinischem Cannabis in den Niederlanden gewährten: Im Rahmen der 6. IACM-Konferenz bestand die Möglichkeit, an einer Busfahrt quer durch Holland zum Firmensitz von Bedrocan teilzunehmen. um eine Betriebsbesichtigung der ganz besonderen Art zu erleben.
Zunächst registriere ich erstaunt, dass ich der einzige Journalist bin, der an der Fahrt teilnimmt, ansonsten gibt sich ein erlesenes Who's who von bekannten Cannabis-Wissenschaftlern und -Ärzten die Ehre. Die Spannung ist groß, als nach dreistündiger Busfahrt der ländlich gelegene Betrieb von Bedrocan erreicht wird. Nach einer herzlichen Begrüßung durch die beiden Betriebsinhaber Freerk Bruining und Tjalling Erkelens, zwei miteinander verschwägerten Mittvierzigern, folgt zunächst eine einleitende Power Point-Präsentation zur Firmengeschichte und Arbeit von Bedrocan.
1984 erben sie einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb und praktizieren zunächst jahrelang ausschließlich die Indoor-Treiberei von Chicorée. 1991 kommen Spargel und Buchsbaum als Erwerbspflanzen dazu. 1995 beginnen sie dann, auf Hobby-Basis auch erfolgreich Cannabis anzubauen. Als im Jahre 2000 in Holland das Büro für medizinisches Cannabis gegründet wird, entschließen sich die beiden Schwager in der Folgezeit, dort eine Lizenz für die Produktion, von medizinischem Cannabis zu beantragen. 2002 ist es dann soweit, die Firma Bedrocan erhält vom BMC einen Fünfjahresvertrag und wird einer der beiden einzigen staatlich lizenzierten Medizinalhanf-Produzenten. Am 1. September 2003 beginnt in Holland der Apothekenverkauf von Cannabisblüten auf Rezept. Doch es wird schnell klar, dass die Nachfrage der Patienten weitaus geringer ausfällt als erwartet und der Bedarf bequem von nur einer Firma gedeckt werden kann. Als Folge wurde 2005 dem anderen Produzenten mit einer Lizenz, der Stiftung SIMM, der Anbauvertrag zum Anfang des Jahres gekündigt, auch weil es hier Probleme mit der Standardisierung des THC-Gehalts der Blüten gab. Seitdem ist Bedrocan mithin der einzige Betrieb in Holland, der die Apotheken mit Cannabisblüten beliefert. Eine gesicherte betriebswirtschaftliche Existenz also? Weit gefehlt. Auch Bedrocan kämpft um das Überleben. Die jährlich von Bedrocan in den Apotheken abgesetzte Menge an Medizinalhanf liegt bei unter 100 kg, was angesichts des großen Kostenapparats, den Bedrocan hat, weit entfernt davon ist, echte Gewinne abzuwerfen. Zum anderen steht die Fortführung des Apothekenverkaufs gerade wegen der bescheidenen Nachfrage derzeit auf dem Prüfstand des Gesundheitsministeriums. Zurzeit beziehen nur etwa 1.500 Patienten in Holland Cannabis aus der Apotheke, im Vorfeld des Projekts war mit 7-15.000 Patienten gerechnet worden.
Nach dem Vortrag öffnen sich dann die Türen zum „Allerheiligsten": Der Rundgang durch die Produktionsräume von Bedrocan steht an. Zunächst müssen sich alle in weiße Plastik-Kittel hüllen, wegen der Hygiene. Die wird beim Anbau von medizinischem Cannabis natürlich ganz groß geschrieben. Bedrocan hat sich den Grundsätzen der so genannten guten landwirtschaftlichen Praxis verschreiben müssen, und darüber hinaus strengen Grundsätzen der Weiterverarbeitung, der Laborkontrolle und des reglementierten Vertriebs. Das mit dem BMC vereinbarte Konzept zur Qualitätskontrolle soll noch in diesem Jahr nach ISO 9002-2000 zertifiziert werden. Entsprechend den Grundsätzen der guten landwirtschaftlichen Praxis hält Bedrocan den Energieaufwand bei der Produktion so gering wie möglich, gleiches gilt für die Düngung. Die verwendete Steinwolle wird recycelt, auf den Einsatz von Pestiziden völlig verzichtet. Schädlinge und Pilzsporen werden durch ein Filtersystem in der Lüftung der Anlagen am Eindringen in die Anbauräume weitgehend gehindert.
Eine biologische Kultur scheidet übrigens aus mehreren Gründen aus. Zunächst einmal ist es gemäß internationaler pharmakologischer Vorschriften gar nicht möglich bzw. erlaubt, einem rezeptpflichtigen Medizinprodukt das Etikett „biologisch" anzuheften. Außerdem ist die erforderliche Standardisierung der Anbaubedingungen mit biologischen bzw. organischen Substraten und Düngern praktisch kaum möglich. Die Standardisierung der Produktion wird bei Bedrocan zum einen durch die Verwendung von Stecklingen ermöglicht, deren Anbau einem festen zeitlichen Ablaufplan folgt, zum anderen durch stets identische Anbaubedingungen, also z. B. gleichbleibendes Klima und beständige pH- (6,0) und EC- (1,2 mS) Werte. Bedrocan verfügt insgesamt über vier Räume mit jeweils 55 m2 Grundfläche und 30 Hoch-drucknatriumdampflampen in 600 Watt-Stärke. Ein Raum ist für die vegetative Vermehrung und Kultur zuständig, hier stehen Mutterpflanzen mit ihren Töchtern, die nach einigen Wochen Wachstum in einen der drei Blüteräume aufrücken. In jedem der Blüteräume können sich bis zu 130 Pflanzen befinden. Alle zwei Wochen ist eine Pflanzenpartie erntereif. Es wird durchgängig Topfkultur praktiziert wobei alle blühenden Pflanzen über ein Steinwoll-Tropfsystem gewässert und ernährt werden. Im vegetativen Raum stehen die Pflanzen dagegen auf intervallweise befluteten Anstau-Tischen. Zurzeit produziert Bedrocan vier Sorten für die Apotheke: „Bedrocan" (Mostly Sativa, 60 Tage Blütezeit, 18% THC / 0,8% CBD) „Bedrobinol" (ungefähr ausgewogene Indica/Sativa, 54 Tage Blüte, 13% THC / unter 1 % CBD), die bewusst CBD-lastige Varietät „Bediol" (50 Tage Blüte, 6% THC / 7,5% CBD) und seit 2011 „Bedica" eine Indica mit einem THC Anteil von 14% und weniger als 1% CBD die als Beruhigungsmittel empfohlen wird cannabis anbau
Viermal im Jahr erhält Bedrocan Besuch von einer staatlichen Aufsichtsbehörde, welche die Anzahl der Pflanzen und die aktuell vorrätige Menge an trockenen Blüten kontrolliert. Das BMC wird immer dann vorstellig, wenn wieder eine Ernte fertig getrocknet ist. Denn ab diesem Zeitpunkt nimmt der Staat die Zügel in die Hand, das BMC koordiniert die weitere Verarbeitung und Kontrolle sowie den Vertrieb der Cannabisblüten. Zunächst wandert die zu Einheiten von 250 Gramm verpackte Ernte zu einer Firma namens Isotron BV, welche die Blüten mit Gammastrahlen behandelt, um sicherzustellen, dass das ohnehin schon sehr reine Endprodukt garantiert frei von Pilzsporen, Bakterien und anderen Mikroorganismen ist. Für den Menschen ist die bei vielen frischen Lebensmitteln übliche Gammastrahlen-Prozedur vollkommen unschädlich. Ein Labor kontrolliert die Blüten abschließend stichprobenartig auf Schadstofffreiheit (es dürfen z. B. auch keine Schwermetalle enthalten sein) und die Einhaltung des für die Sorte standardisierten THC-Gehalts. Wenn alles in Ordnung ist, wird das Material an die Firma Fagron in Westholland weitergeleitet, welche die Blüten in 5 g-Dosen abfüllt und an die Apotheken ausliefert.
Ingesamt konnte Bedrocan die Besucher sehr von seiner Arbeit überzeugen, sogar den erfahrenen Anbau-Experten David Watson (Hortapharm). Man kann der engagierten und verantwortungsbewussten Firma nur wünschen, dass in Holland künftig deutlich mehr Patienten Apotheken-Cannabis den Vorzug gegenüber der Pestizid- und Schimmelsporen-belasteten Coffeeshop-Ware geben, sodass Bedrocan seine Existenz in der Zukunft nicht nur erhalten, sondern auch profitabel gestalten kann und sich Hanf aus der Apotheke durchsetzt.
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